
OPTIMALE BEHANDLUNG VON BEINACHSENFEHLSTELLUNGEN - ÜBERSICHT
Beinachsenfehlstellungen führen zu asymmetrischer Gelenkbelastung und begünstigen degenerative Knieveränderungen. Ziel der Therapie ist der gelenkerhaltende Belastungsausgleich.
- 1. Was ist eine Beinachsenfehlstellung?
- 2. Wie entsteht eine Fehlstellung der Beinachse?
- 3. Welche Beschwerden treten bei Beinachsenfehlstellungen auf?
- 4. Wie wird eine Beinachsenfehlstellung diagnostiziert?
- 5. Was ist die optimale Therapie bei Beinachsenfehlstellungen?
- 6. Wie wird eine Umstellungsosteotomie durchgeführt?
- 7. Häufige Fragen zur Umstellungsosteotomie
- 8. Wie sieht die Nachbehandlung aus?
1. Was ist eine Beinachsenfehlstellung?
Unter einer Beinachsenfehlstellung versteht man eine Abweichung von der physiologischen, also natürlichen, geraden Ausrichtung der Beinachse. Im Normalfall verläuft die Beinachse von der Hüfte über das Kniegelenk bis zum Sprunggelenk nahezu gerade. Eine Abweichung kann nach innen, als X-Bein oder Valgusstellung, oder nach außen, als O-Bein oder Varusstellung, gerichtet sein.
Solche Veränderungen führen zu einer ungleichmäßigen Druckverteilung im Kniegelenk, wodurch einzelne Gelenkabschnitte mechanisch überlastet werden. Auf lange Sicht kann dies die Entstehung von Knorpelschäden, Meniskusverletzungen oder Arthrose begünstigen. Auch Rotationsfehlstellungen, beispielsweise nach Knochenbrüchen, sowie instabile Positionen der Kniescheibe können biomechanische Fehlbelastungen hervorrufen. Besonders problematisch ist es, wenn eine Fehlstellung über einen längeren Zeitraum unbemerkt bleibt.
Ziel jeder therapeutischen Maßnahme ist daher die Wiederherstellung einer möglichst physiologischen Belastung des Gelenks, die Reduzierung von Schmerzen sowie der langfristige Erhalt der Gelenkfunktion, möglichst bevor irreversible Schäden entstehen.


2. Wie entsteht eine Fehlstellung der Beinachse?
Beinachsenfehlstellungen können angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Häufig liegt eine Kombination mehrerer Einflussfaktoren vor. Angeborene oder entwicklungsbedingte Fehlstellungen entstehen oftmals bereits im Kindes- oder Jugendalter durch Störungen im Knochenwachstum.
Wenn der Oberschenkelknochen oder das Schienbein unterschiedlich schnell oder in einer Fehlrichtung wachsen, kann dies eine Abweichung der Achse verursachen. Eine genetische Veranlagung kann das Risiko erhöhen, insbesondere wenn bereits in der Familie eine X- oder O-Bein-Stellung vorliegt. Leichte Abweichungen gleichen sich im Wachstum oft von selbst aus, stärker ausgeprägte oder bleibende Fehlstellungen sollten jedoch ärztlich abgeklärt werden.
Erworbene Fehlstellungen treten häufiger im Erwachsenenalter auf und entstehen beispielsweise nach Knochenbrüchen, die in Fehlstellung verheilen, insbesondere im Bereich des Oberschenkelhalses, des Schienbeins oder des Sprunggelenks. Auch langjährige einseitige Belastungen im Beruf oder sportliche Überbeanspruchung können die Beinachse verändern. Oft bleiben solche Veränderungen zunächst unbemerkt und werden erst durch zunehmende Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen erkannt.
3. Welche Beschwerden treten bei Beinachsenfehlstellungen auf?
Die Symptome entwickeln sich meist schleichend und sind zu Beginn unspezifisch. Häufig kommt es zu einer asymmetrischen Belastung des Kniegelenks, die sich vor allem bei längerem Gehen, Stehen oder sportlicher Aktivität bemerkbar macht. Belastungsabhängige Schmerzen treten dabei meist an der stärker beanspruchten Seite des Knies auf, also außen bei einer X-Bein-Stellung oder innen bei einer O-Bein-Stellung. Im Verlauf können Schwellungen auftreten, insbesondere nach intensiver Belastung oder längeren Gehstrecken. Viele Betroffene berichten über ein subjektives Gefühl von Instabilität sowie über Bewegungseinschränkungen.
Wiederkehrende Reizzustände und Entzündungen im Gelenkbereich sind häufig, und im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer Arthrose kommen. Unbehandelte Beinachsenfehlstellungen erhöhen zudem das Risiko für Knorpelschäden und Meniskusverletzungen, insbesondere wenn bereits Vorschäden vorliegen. Dies wirkt sich nicht selten negativ auf die Lebensqualität aus und kann sowohl Freizeitaktivitäten als auch die berufliche Belastbarkeit einschränken.
4. Wie wird eine Beinachsenfehlstellung diagnostiziert?
Die Diagnose erfordert eine Kombination aus klinischer Untersuchung und moderner Bildgebung. Zunächst beurteilt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt das Gangbild, die Stellung der Beine im Stand und mögliche Auffälligkeiten bei der Bewegung. Dabei wird besonders auf die Ausrichtung der Kniescheiben, die Symmetrie beider Beine und die Beweglichkeit der Gelenke geachtet. Hinweise auf eine Achsabweichung, wie etwa ein X- oder O-Bein, können so bereits im Rahmen der klinischen Untersuchung erkannt werden.
Für eine präzise Beurteilung ist eine Röntgen-Ganzbeinstandaufnahme unerlässlich. Sie zeigt die mechanische Achse von der Hüfte über das Knie bis zum Sprunggelenk und ermöglicht eine exakte Winkelmessung. Ergänzend liefert die Magnetresonanztomografie (MRT) detaillierte Informationen über den Zustand von Menisken, Knorpeln und Bandstrukturen, insbesondere wenn bereits Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen bestehen. Steht eine operative Korrektur im Raum, wird im Rahmen der präoperativen Planung eine hochpräzise digitale Achsvermessung durchgeführt. Dabei wird millimetergenau festgelegt, an welcher Stelle und in welchem Winkel der Knochen korrigiert werden muss. Diese genaue Analyse ist entscheidend, um die geeignete Therapieform zu bestimmen.
5. Was ist die optimale Therapie bei Beinachsenfehlstellungen?
Die Wahl der Therapie hängt vom Ausmaß der Abweichung, den vorhandenen Beschwerden und dem Zustand des Gelenks ab. Grundsätzlich zielt jede Behandlung darauf ab, die Belastung wieder gleichmäßig zu verteilen, Schmerzen zu lindern und weiteren Gelenkverschleiß zu verhindern.
Konservative Maßnahmen sind vor allem bei geringen Fehlstellungen oder intakten Knorpelstrukturen sinnvoll. Hierbei können gezielte physiotherapeutische Übungen die Muskulatur rund um das Knie stärken, um die Gelenkführung zu verbessern und Fehlbelastungen zu verringern. Orthopädische Einlagen oder spezielle Orthesen unterstützen zusätzlich die Korrektur der Belastung. Bei Bedarf werden schmerz- oder entzündungshemmende Medikamente eingesetzt, um akute Beschwerden zu lindern.
Liegt eine deutliche Fehlstellung vor oder sind bereits Knorpel- oder Meniskusschäden vorhanden, ist eine konservative Behandlung oft nicht ausreichend. In solchen Fällen kann eine operative Korrektur in Form einer Umstellungsosteotomie erforderlich sein. Ziel des Eingriffs ist es, die mechanische Beinachse so zu verändern, dass die geschädigte Gelenkseite entlastet und die Belastung auf gesunde Bereiche verlagert wird. Auf diese Weise kann das Fortschreiten einer Arthrose deutlich verlangsamt oder gestoppt und die Lebensqualität verbessert werden.
6. Wie wird eine Umstellungsosteotomie durchgeführt?
Die Umstellungsosteotomie ist ein gelenkerhaltender chirurgischer Eingriff, der eine präzise Planung erfordert. Vor der Operation werden mittels Röntgen, Ganzbeinaufnahmen und häufig auch MRT alle relevanten Parameter der Fehlstellung erfasst. Anhand dieser Daten wird genau berechnet, wo der Knochen durchtrennt und in welchem Winkel er neu ausgerichtet werden muss, um die Belastung zu reduzieren.
Je nach Art und Lage der Fehlstellung erfolgt der operative Zugang am Schienbein oder am Oberschenkelknochen. Der Knochen wird entweder aufgespreizt, was als aufklappende Osteotomie bezeichnet wird, oder es wird ein Keil entnommen, was als zuklappende Osteotomie bekannt ist. Bei Verdrehungen kann eine Derotationsosteotomie notwendig sein, bei der die Rotation des Knochens korrigiert wird. Die neue Stellung wird mit Platten und Schrauben stabilisiert, bis der Knochen in der gewünschten Position verheilt ist. Ziel ist es stets, die mechanische Achse vom geschädigten Gelenkanteil weg hin zu einer physiologisch belastbaren Zone zu verschieben, um Schmerzen zu reduzieren und die Funktion des Gelenks zu verbessern.
7. Häufige Fragen zur Umstellungsosteotomie
Muss jedes O- oder X-Bein operiert werden?
Wenn das gegenüberliegende Bein zwar ebenfalls eine Fehlstellung aufweist, jedoch keine Schmerzen oder strukturellen Schäden zeigt, ist in der Regel keine Operation notwendig. Die Entscheidung erfolgt individuell, abhängig von der funktionellen Belastbarkeit und dem Gesamtzustand beider Beine.
Was passiert mit dem anderen, ebenfalls „krummen“ Bein?
Wenn das gegenüberliegende Bein zwar ebenfalls eine Fehlstellung aufweist, jedoch keine Schmerzen oder strukturellen Schäden zeigt, ist in der Regel keine Operation notwendig. Die Entscheidung erfolgt individuell, abhängig von der funktionellen Belastbarkeit und dem Gesamtzustand beider Beine.
Gibt es eine Altersgrenze?
Eine feste Altersgrenze besteht nicht. Entscheidend ist vielmehr der Zustand des Gelenks, insbesondere des Knorpels, sowie das Aktivitätsniveau der betroffenen Person. Auch bei älteren, aktiven Menschen kann eine Umstellungsosteotomie sinnvoll sein, wenn das Ziel darin besteht, das natürliche Gelenk zu erhalten.
Was sind die Vorteile der Operation?
Die Operation kann belastungsabhängige Schmerzen lindern und die Beweglichkeit des Kniegelenks verbessern. Durch die Korrektur der Beinachse wird das natürliche Gelenk entlastet, was den Verschleiß verlangsamen oder stoppen kann. So lässt sich der Einsatz einer Knieprothese oft über Jahre hinauszögern oder sogar vermeiden. Besonders bei jungen, aktiven Patienten zeigen sich häufig bessere funktionelle Ergebnisse als nach einer Prothesenversorgung. Moderne Implantatsysteme ermöglichen zudem eine stabile Fixierung und eine frühzeitige Mobilisation. Bis zu 25% der Knieprothesen Patienten unter 55 Jahren sind mit dem Ergebnis laut aktuellen Studien nicht zufrieden. Weiterhin zeigte sich in Studien, dass Patienten unter 60 Jahren auch ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Infektionen oder Lockerungen der Knieprothesen aufweisen. Durch die Weiterentwicklung der Operationstechniken der Umstellungsosteotomien und moderne Platten können stabile Situationen erzeugt werden, so dass eine lange Entlastung in aller Regel nicht nötig ist. Die Umstellungsosteotomie ist jedoch keine Konkurrenz zur Knieprothese, sondern beide Verfahren haben eigene Indikationen. Die einseitige Arthrose mit knöcherner Fehlstellung beim jungen Patienten ist die Indikation der Umstellungsosteotomie bei der die besten Ergebnisse erzielt werden können.
8. Wie sieht die Nachbehandlung aus?
Was ist in den ersten Tagen nach der Operation zu beachten?
Unmittelbar nach dem Eingriff ist es wichtig, das operierte Bein konsequent hochzulagern und zu kühlen, um Schwellungen und Schmerzen zu reduzieren. Zusätzlich werden entzündungshemmende Medikamente verabreicht, um die postoperative Reaktion des Gewebes zu kontrollieren. Die Operationswunde wird durch ein wasserdichtes Pflaster geschützt, das gleichzeitig eine hygienische Versorgung sicherstellt. Zur Vorbeugung von Thrombosen erfolgt eine medikamentöse Prophylaxe, in der Regel durch die Gabe von Heparin.
Wie lange sind Gehstützen notwendig?
Bereits am Tag nach dem Eingriff beginnt ein individuell angepasstes physiotherapeutisches Übungsprogramm. Ziel ist die schrittweise Wiederherstellung der Belastbarkeit. Die Dauer der Gehstützen hängt von der Art der Osteotomie ab. In aller Regel sollte bis zur Abschwellung eine Belastung mit Gehstützen mit ca. 15-20 kg erfolgen. Danach kann dann in Abhängigkeit der Operation stufenweise gesteigert werden. Normalerweise kann spätestens nach 8-10 Wochen eine Vollbelastung durchgeführt werden.
Welche Bewegungsübungen können ausgeführt werden?
Bereits am Tag nach der Operation wird mit einem speziell auf den durchgeführten Eingriff abgestimmten Übungsprogramm entweder zu Hause oder in der Klinik begonnen. Ziel der Bewegungstherapie ist es, die Beweglichkeit und Belastbarkeit des Kniegelenkes wie vor der Achskorrektur wieder zu erlangen. Dabei werden Bewegungsumfang, Muskelkraft und Dehnbarkeit der Ober- und Unterschenkelmuskulatur allmählich gesteigert. Unser besonderes Augenmerk richten wir auf die Streckung des Kniegelenks, da in diesem Bereich die Gefahr eines verbleibenden Defizits am größten ist. Bei Umstellungsosteotomien muss die Beweglichkeit nach der Operation häufig nicht begrenzt werden, so dass eine schnelle freie Beweglichkeit oft wünschenswert ist. Übungsintensität oder auch Bewegungseinschränkungen sind abhängig von der Art, des Operationsverfahrens und des Therapieziels. Bei Sportlern werden besondere Bewegungsübungen gegen Ende der Rehabilitation durchgeführt, damit die sportlichen Aktivitäten bald wieder aufgenommen werden können. Die Bewegungsübungen nach einer Meniskusoperation dienen der Verbesserung der Beweglichkeit des operierten Kniegelenkes und der Stärkung des großen Oberschenkelmuskels.
Nachbehandlungsschemata
PDF Nachbehandlung Aufklappende Osteotomie
PDF Nachbehandlung Zuklappende Osteotomie
PDF Nachbehandlung Derotationsosteotomie